Schallausbreitung in der elektroakustischen Anlagentechnik
Die Art und Weise, wie sich Schall ausbreitet, ist von zwei wichtigen Einflussgrößen abhängig:
- der Schallquelle selbst
- den Begrenzungsflächen eines Raumes
Weitere Einflussgrößen sind lokale Temperaturunterschiede im Ausbreitungsmedium Luft sowie Bewegungen im Medium (Wind). Diese Einflüsse sollen jedoch zunächst vernachlässigt werden. Fehlen die Raumbegrenzungsflächen oder schlucken sie sämtlichen auftreffenden Schall, spricht man vom freien Schallfeld. Im freien Schallfeld ist die Schallausbreitung nur von den Eigenschaften der Schallquelle abhängig. Die Akustik hat mehrere Modelle entwickelt, um die Erscheinungen der Schallausbreitung möglichst genau zu beschreiben.
Ebene, fortschreitende Welle Schallausbreitung
In der ebenen, fortschreitenden Welle breitet sich Schall nur in eine Richtung aus. Die Schallenergie ist an jedem Punkt des Raumes gleich groß und eine reelle Größe (keine Blindanteile). Es gibt keine Ausbreitungsdämpfung. Dieses an sich sehr theoretische Modell wird gern zur Beschreibung von akustischen Vorgängen benützt, die sich in relativ großer Entfernung von der Schallquelle abspielen.
Kugelwelle, Kugelstrahler nullter Ordnung
Ein sehr kleiner Luftballon wird im Rhythmus der Tonfrequenz aufgeblasen und entlüftet, es entsteht das Modell der atmenden Kugel. Der entstehende Schall breitet sich um diese Kugel auch kugelförmig gleichmäßig aus. Mit zunehmender Entfernung nimmt die Schallintensität I ab. Der Zusammenhang ist quadratisch.
In kugelförmig sich ausbreitenden Wellen nimmt der Schallpegel um 6 dB mit jeder Entfernungsverdopplung ab (6-dB-Gesetz). Das gilt sowohl für eine Entfernungsverdopplung von 1 m auf 2 m als auch bei einer Verdopplung von 40 m auf 80 m.
Die Wirksamkeit dieses Gesetzes lässt sich sehr eindrucksvoll erkennen, wenn man die Lärmemission eines Abgasschornsteins einer großen Gasfeuerungsanlage oder eines Abluftkanals einer Diskothek misst. Man misst zum Beispiel 1 m neben der Mündung einen Schallpegel von 95 dB, in 100 m Entfernung einen Schallpegel von 55 dB. Wer jetzt meint, in 200 m Entfernung wären nur 15 dB zu messen, der irrt gewaltig. Mit hoher Wahrscheinlichkeit misst man dort einen Schallpegel von 49 dB.
Nach diesem Exkurs in die Umweltproblematik, die immer häufiger auch für Beschallungsanlagen relevant wird (Diskotheken, Stadien, Open-Air-Sessions), zurück zur Kugelwelle. Das 6-dB-Gesetz gilt auch, wenn nur Kugelausschnitte (Sektoren) von der Schallausbreitung betroffen sind.
Kugelstrahler 1. Ordnung, Dipolstrahler
Zwei atmende Kugeln befinden sich in einem gewissen Abstand. Immer wenn die eine sich aufbläht, fällt die zweite zusammen. Eine andere Modellvorstellung ist dieser äquivalent. Danach wird eine sehr kleine Kugel auf einer Achse um den oben schon erwähnten Abstand hin und her geschoben. In Richtung dieser Schwingachse breitet sich der Schall am stärksten aus, senkrecht zu dieser Achse breitet sich kein Schall aus. In den Richtungen zwischen diesen beiden Extremen ist die Schallabstrahlung stark vom Winkel zur Achse abhängig. Für große Entfernungen gilt in jeder Richtung wieder das 6-dB-Gesetz. Die typische Anwendung dieses Modells ist seine eigene Umkehrung, nämlich die Beschreibung der Empfangsverhältnisse eines Achter-Mikrofons.
Linienförmige Schallstrahler, Zylinderwellen
Ein sehr langer, linienförmiger Körper bläht sich auf und fällt wieder zusammen. Die Schallausbreitung erfolgt nur senkrecht zur Achse in Form eines Zylinders.
Das praktische Beispiel für dieses Modell sind die Lärmstörungen, die in großen Entfernungen von stark befahrenen Straßen hervorgerufen werden. Für hohe Frequenzen ist dieses Modell auch zur Beschreibung eines zeilenförmigen Lautsprechers geeignet. Soweit die Modelle für die Schallausbreitung im freien Schallfeld. Durch die Kombination von verschiedenen Modellen können auch andere Verhältnisse simuliert werden. So ergibt die Überlagerung von Kugelstrahler und Dipolstrahler einen Nierenstrahler. Sobald das freie Schallfeld gestört wird, sind andere Modellvorstellungen notwendig.
Reflexion, Beugung Schallausbreitung
Trifft Schall auf ein schweres Hindernis, wird die Schallausbreitung gestört. Ist das Hindernis klein gegenüber der Wellenlänge des Schalls, kommt es zur Schallbeugung. Ist das Hindernis groß gegenüber der Wellenlänge, kommt es zu einer Reflexion entsprechend der optischen Gesetze. Die Reflexionsgesetze werden in den folgenden Abschnitten ausführlicher behandelt. Zur Abschätzung, ob ein Hindernis reflektierend oder Schall beugend wirkt, sollte man sich die folgenden Frequenz-Wellenlängen-Relationen einprägen.
Frequenz in Hz | 100 | 1 000 | 10 000 |
---|---|---|---|
Wellenlänge in m | ≈ 3 | ≈ 0,3 | ≈ 0,03 |
Eine besondere Rolle spielt die diffuse Reflexion. Sie kann als „Schallzerstreuung mit Vorzugsrichtung“ umschrieben werden. Zur Erklärung dieser speziellen Zusammenhänge muss auf die Fachliteratur verwiesen werden.
Stehende Wellen
Beträgt der doppelte senkrechte Abstand zwischen einer Schallquelle und einer Wand ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge, kommt es zu stehenden Wellen. Die von der Schallquelle ausgehende Schallwelle überlagert sich so mit reflektierten, dass es zu lokalen feststehenden Maxima und Minima des Schalldruckes kommt. Innerhalb der stehenden Welle gibt es keinen Energietransport mehr. Die Schallquelle arbeitet quasi im Leerlauf, sie hat für diese einzelne Frequenz einen hervorragenden Wirkungsgrad. Stehende Wellen können auch durch mehrfache Reflexionen entstehen. Alle stehenden Wellen, die sich zwischen den Raumbegrenzungsflächen eines Raumes ausbilden können, heißen Eigenmoden des Raumes. Ihre Lage zueinander auf der Frequenzachse ergibt Rückschlüsse für das Klangverhalten eines Raumes im Tieftonbereich.
Diffuses Schallfeld
Das zweite extreme Modell, um Schallausbreitungsvorgänge zu beschreiben, ist im Gegensatz zum freien Schallfeld das diffuse Schallfeld.
Es hat folgende Kennzeichen:
- der Schalleinfall an einem Punkt dieses Feldes erfolgt gleichmäßig aus allen Raumrichtungen;
- das diffuse Schallfeld existiert nur bei Anregung durch breitbandige Geräusche.
Im stationären Zustand sind die dem Schallfeld zugeführte und die abfließende Energie gleich groß. Zur Beschreibung eines diffusen Schallfeldes eignen sich weniger die üblichen skalaren und vektoriellen Größen wie Schalldruck, Schallschnelle oder Schallintensität. Eventuell werden ihre Effektivwerte zur Beschreibung herangezogen. Noch häufiger erfolgt die Beschreibung über die Größen Nachhallzeit, Volumen, Absorptionsfläche oder Hallradius. Die typische Realisierung des diffusen Schallfeldes ist ein Raum mit kaum Schall schluckenden Materialien, in dem ein ungerichteter Lautsprecher Rauschsignale sendet.
Ein diffuses Schallfeld ist hier in relativ großer Entfernung vom Lautsprecher und von den Raumbegrenzungsflächen vorhanden.
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